Haben Sie schon einmal wegen eines Musters für einen freien Dienstvertrag einen Rechtsanwalt oder Notar aufgesucht? Wahrscheinlich nicht. Musterverträge werden heute gegoogelt. Vom Auto- bis zum Partnerschaftsvermittlungsvertrag lässt sich alles finden.
Doch wie rechtssicher sind diese Verträge?
In meiner Tätigkeit als Rentenberater habe ich regelmäßig mit freien Dienstverträgen von Selbständigen zu tun. In diesen Verfahren findet sich in vielen Fällen, wohl aufgrund des guten „Google-Rankings“, ein (Muster-) Vertrag mit folgender Klausel:
Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß durch diesen Vertrag kein Arbeitsverhältnis zustandekommt. Sollte dennoch nach zwingenden gesetzlichen Bestimmungen ein Arbeitsverhältnis bestehen, verpflichtet sich der Mitarbeiter, seinen Anteil zur Sozialversicherung und die gesetzlichen Krankenkassen- beiträge auch rückwirkend selbst zu zahlen.
Bereits der erste Satz irritiert. Nicht die Einigkeit der Vertragsparteien entscheidet darüber, ob ein Arbeitsvertrag bzw. -verhältnis zustande kommt, sondern die gesetzlichen Vorschriften.
Der nächste Halbsatz „Sollte dennoch nach zwingenden gesetzlichen Bestimmungen ein Arbeitsverhältnis bestehen“ relativiert die vorherige Aussage wiederum und endet in der Aussage „verpflichtet sich der Mitarbeiter, seinen Anteil zur Sozialversicherung und die gesetzlichen Krankenkassenbeiträge auch rückwirkend selbst zu zahlen.“
Das ist harter Tobak und führt auf beiden Vertragsseiten zu einer völlig falschen Einschätzung der Rechtslage:
Der Auftragnehmer glaubt:
Auweia, wenn mir die Betriebsprüfer die selbständige Tätigkeit „nicht glauben“, dann muss ich für die letzten Jahre alle meine Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Kranken-. Pflege-, Arbeitslosenversicherung) selber nachzahlen.
Der Auftraggeber glaubt:
Na und, wenn der Betriebsprüfer anstelle einer selbständigen Tätigkeit eine abhängige Beschäftigung feststellt, muss ich lediglich meine Arbeitgeberbeiträge zahlen, die Arbeitnehmerbeiträge muss der Auftragnehmer (bzw. dann Arbeitnehmer) selbst zahlen. Gut das ich einen so guten Vertrag abgeschlossen habe. So geht es mir nicht schlechter, als hätte ich den Selbständigen von Anfang an als Arbeitnehmer angemeldet.
Tatsächlich ist diese Klausel für die Sozialversicherung ohne Relevanz.
Sollte in diesen Fällen anstelle einer selbständigen Tätigkeit ein Beschäftigungsverhältnis festgestellt werden, ist der Gesamtversicherungsbeitrag (also Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) allein vom Arbeitgeber zu leisten (§ 28e Abs.1 SGB IV). Ein unterbliebener Abzug des Arbeitnehmeranteils kann nur bei den nächsten drei Lohn-/Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Danach ist ein Abzug nur möglich, wenn dieser ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. (§ 28g S.2 ff. SGB IV).
Es handelt sich um eine Schutzvorschrift für Arbeitnehmer, da dem Arbeitgeber/ Auftraggeber im Zusammenhang mit der gesetzlichen Sozialversicherung zahlreiche Verpflichtungen obliegen:
- Beurteilung der Versicherungspflicht oder- freiheit
- Durchführung des Meldeverfahrens
- Zahlung der Beiträge an die Einzugsstelle
- Auskunfts- und Vorlagepflichten gegenüber der Einzugsstelle/DRV
Dieser Pflichten kann sich der Arbeitgeber/Auftraggeber nicht durch eine Klausel im Dienstvertrag entledigen. Allein Unkenntnis schützt ihn nicht. In Zweifelsfällen ist der Arbeitgeber/Auftraggeber (auch zu seiner eigenen Absicherung) verpflichtet, ein Anfrageverfahren/Statusverfahren einzuleiten.
Nur so, nicht jedoch durch den oben zitierten Dienstvertrag kann sich der Arbeitgeber/Auftraggeber vor späteren Forderungen der Einzugsstelle zur Zahlung der vollen Gesamtversicherungsbeiträge schützen.
Ein Beispiel zur Größenordnung des Risikos für eine Firma:
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Anke und Frank wurden ab dem 01.01.2007 für Ihre Firma als freie Mitarbeiter tätig. Beide erhielten für ihre Tätigkeit eine durchschnittliche Vergütung von 2.500 €. Anke macht nach Auffassung des Auftraggebers ihren Job nicht zufriedenstellend. Beide trennen sich zum 31.12.2011. Sie wird arbeitslos (ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld) Kein Arbeitslosengeld und nichts für die Rente getan – Anke ist verärgert und beantragt Ende 2012 ein (zulässiges) nachträgliches Statusfeststellungsverfahren. Dieses Anfrageverfahren wird mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass Anke nicht als Selbständige sondern als Beschäftigte tätig war. Auch der Betriebsprüfdienst wird auf den Auftraggeber aufmerksam und stellt sodann auch für Frank ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ab 1/2007 fest. Da Sie nicht vorsätzlich gehandelt haben, beschränkt sich die Verjährung auf 4 Jahre und es ergeben folgende Bescheide:
Beitragspflicht für Anke von 12/2007 – 12/2011 aus Entgelten i.H.v. 122.500.- €
Beitragspflicht für Frank von 12/2008 – lfd. (April 2013)aus Entgelten i.H.v. 132.500.- €
Im Jahre 2013 liegt der Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei 39,45 %.
Arbeitgeberanteil der Beitragsnachforderung (ohne Zinsen) = 100.597,50 €
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Die o.g. Klausel aus dem Dienstvertrag hilft hierbei nicht. Die Arbeitnehmer (Anke und Frank) haben in keiner Weise gegen Ihre Auskunfts- und Vorlagepflicht gegenüber dem Arbeitgeber (§ 28o SGB IV) verstoßen. Der Sozialrechtsweg bleibt dem Arbeitgeber daher für eine Forderung verschlossen (LSG Hessen vom 25.11.2009 -18 Sa 1412/09 -). Ansprüche müssten mit dem Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) zivilrechtlich geltend gemacht werden.
Aus diesen und ähnlichen Fällen hat der Betriebsprüfdienst im Jahre 2012 Beiträge in Höhe von 432 Millionen € nachgefordert. Fundierter Rat im vorherein lohnt sich.
Mein Tipp auch bei den Verträgen: Die bei der IHK abrufbaren Muster machten einen guten Eindruck.
Joachim Scholtz, Rentenberater