Der Rentenberater im mittelständischen Unternehmen

Sebastian M. (48) fragte bei mir an, ob ich seine Mutter im Witwenrentenverfahren gegenüber der DRV vertreten könnte. Selbstverständlich, lautet meine Antwort und ein Besprechungstermin wurde vereinbart. Sebastian M. erschien zum Termin allein, seine Mutter war gesundheitlich verhindert.

Beim Durcharbeiten der Vordrucke kommen wir ins Gespräch. Sein Vater verstarb schon vor zwei Jahren. Aus irgendeinem Grund und weil die Ansprüche auch nur gering seien, wurde die Antragstellung bei der DRV versäumt.

Sein verstorbener Vater sei Inhaber einer Druckerei gewesen. Er habe dort angestellt gearbeitet, obwohl sein Vater schon viele Jahre die Geschäftsführerschaft an ihn abgegeben hatte. Jetzt sei er 100%iger Gesellschafter-Geschäftsführer.

Der Kapitalbedarf für neue Maschinen sei jedoch so groß, dass weitere Gesellschafter in die GmbH geholt werden müssten. Auch seine Angestellten bereiten ihm Sorge. Der Altersschnitt läge überdurchschnittlich hoch und manche Mitarbeiter seien weder den gesundheitlichen Anforderungen gewachsen noch könnte mit der technischen Entwicklung Schritt gehalten werden. Nachdem die Angelegenheit seiner Mutter abgeschlossen war, machte ich Herrn M. folgende Vorschläge:

  1. In einer GmbH können geänderte Gesellschaftsanteile rasch zu einer Änderung der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung führen. Auch zur Frage der sogenannten „Familien-GmbH“ hat sich die Rechtsprechung in den letzten Jahren geändert. Der vergangene, aktuelle und ggf. zukünftige Status sollte daher überprüft werden. Die falsche Beurteilungen des Sozialversicherungsstatus kann eine Firma bei deutlich fünfstelligen Nachforderungen rasch in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen
  2. Mit Hilfe seiner Mitarbeiterin, die sich um Personalfragen kümmert, sollte der aktuelle demografische Stand seiner Mitarbeiterschaft überprüft und eine weitere Bedarfsplanung entwickelt werden
  3. Einzelnen Mitarbeitern sollte eine individuelle Beratung bei mir angeboten werden

Herr M. war überrascht. Ihm war durchaus bekannt, dass die im Rechtsdienstleistungsregister registrierten Rentenberater keine Mitarbeiter der gesetzlichen Rentenversicherung sind. Aber dass deren Kompetenz doch deutlich über das reine Ausfüllen eines Vordruckes hinausreicht, und sogar die Beurteilung sozialrechtlicher Konsequenzen von Gesellschaftsvertragsgestaltungen einschließt, beeindruckte ihn nachhaltig.

Ich wiederum fand es bemerkenswert, dass Herr M. im weiteren Gespräch, trotz mancher wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Firma, keinerlei Ambitionen zeigte, ältere oder gesundheitlich eingeschränkte Mitarbeiter (einfach) zu kündigen. Ihm lag daran, für beide Seiten, sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Einige Mitarbeiter, die ihm heute (aus wirtschaftlichen Gründen) den Kopf zerbrechen, hätten ihn schließlich schon als kleinen Steppke in der Firma gesehen. Er wünsche keine ängstlichen Mitarbeiter und auch keine Mitarbeiter die glauben, nur mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht ein Gespräch mit ihm führen zu können.

Im weiteren Verlauf konnten für einige seiner Mitarbeiter akzeptable Rentenlösungen gefunden werden.

Auch der eigene sozialversicherungsrechtliche Status des Sebastian M. wurde durch die Ausgestaltung im neuen Gesellschaftsvertrag (nachdem neue Gesellschafter hinzugetreten waren) in seinem Sinne optimiert.

Selbst die Skepsis des Steuerberaters ist inzwischen verflogen. Gerne meldet er sich heute bei sozialversicherungsrechtlichen Problemen bei mir – wohlwissend, dass ich ihm ganz sicher nicht sein Mandat zur steuerrechtlichen Vertretung streitig machen kann.

Ein Mandat mit Gewinnern auf allen Seiten – was wünscht man sich mehr?

Joachim Scholtz, Rentenberater