Der Geschäftseinbruch bei pflichtversicherten Selbständigen und die Härtefallregelung des § 165 Abs. 1a SGB VI

Andreas ist Sportler aus Leidenschaft. Schon früh hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Als selbständiger Fitnesstrainer führte er Übungsstunden in Fitnesscentern und Vereinen durch. Über Spinning, Aerobic, Kung Fu, Thai Bo bis hin zur Rückenschule wurde jeder Bereich abgedeckt.

Ein Unfall änderte diese berufliche Situation. Doppelter Kreuzbandriss und Riss der Achillessehne lautete die Diagnose. Nach einigen Monaten konnte Andreas zumindest die Rückenschulkurse wieder aufnehmen, an die Einkünfte früherer, gesunder Tage war jedoch nicht zu denken.

An dieser Situation wird sich auch in den nächsten  9 Monaten nichts ändern…

Als pflichtversicherter Selbständiger (§ 2 Nr.1 SGB VI) zahlt Andreas Beiträge zur Rentenversicherung auf der Grundlage des im Steuerbescheid 2010 bestätigten Einkommens.

Aus dem dort bestätigten Arbeitseinkommen von 26.000.- € (d.h. 2.167.- € mtl.) werden monatlich 424,73 € durch die Rentenversicherung von seinem Konto abgebucht. Aufgrund seiner Einschränkungen erzielt er jedoch kaum mehr ein Einkommen von knapp über 1.000.- € aus den Rückenschulkursen.

§ 165 Abs.1 Satz 3 SGB VI
Für den Nachweis des von der Bezugsgröße abweichenden Arbeitseinkommens nach Satz 1 Nummer 1 sind die sich aus dem letzten Einkommensteuerbescheid für das zeitnaheste Kalenderjahr ergebenden Einkünfte aus der versicherungspflichtigen selbständigen Tätigkeit so lange maßgebend, bis ein neuer Einkommensteuerbescheid vorgelegt wird.

Auch der in Kürze erwartete Steuerbescheid für 2011 (Arbeitseinkommen 27.000.-€) wird Andreas nicht helfen können, da dort sein langandauernder Einkommensrückgang aufgrund der Verletzung noch nicht durchgeschlagen ist.

Helfen kann Andreas nur fundierte Beratung und schnelles Handeln.

Gut begründet und schlüssig belegt muss die Anwendung der Härtefallregelung beantragt werden.

§ 165 Abs.1a SGB VI
Abweichend von Absatz 1 Satz 3 ist auf Antrag des Versicherten vom laufenden Arbeitseinkommen auszugehen, wenn dieses im Durchschnitt voraussichtlich um wenigstens 30 vom Hundert geringer ist als das Arbeitseinkommen aus dem letzten Einkommensteuerbescheid. Das laufende Arbeitseinkommen ist durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen. Änderungen des Arbeitseinkommens werden vom Ersten des auf die Vorlage der Nachweise folgenden Kalendermonats an berücksichtigt. Das festgestellte laufende Arbeitseinkommen bleibt solange maßgebend, bis der Einkommensteuerbescheid über dieses Veranlagungsjahr vorgelegt wird und zu berücksichtigen ist.

Nach dieser, erst 2001 eingeführten Regelung, kann bei besonderer Härte eine Abweichung der Beitragsveranlagung auf der Grundlage früherer Steuerbescheide beantragt werden.

Voraussetzung ist u.a. eine langandauernde Einkommensminderung von (deutlich) über 30 % im Verhältnis zum letzten bestätigten Einkommen (Steuerbescheid). Den Nachweis über seine Einkommensminderung hatte Andreas selbst zu führen. In Absprache und Zusammenarbeit mit seinem Steuerberater, der seinerseits eine Minderung der Einkommenssteuervorauszahlung erzielen wollte, ließ sich dieser Nachweis erfolgreich führen. Durch schnelles Handeln konnte der Nachweis des verminderten Einkommens innerhalb des Monats geführt werden, in dem auch die Anwendung der Härtefallregelung beantragt worden war. Im darauffolgenden Monat mussten nur noch 196.- € Rentenversicherungsbeiträge auf der Grundlage eines mtl. Arbeitseinkommens von 1.000.- € gezahlt werden.

Wird der Nachweis erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht, kommt eine Minderung der Beitragszahlung erst ab dem Folgemonat des Nachweises (nicht des Antrages) zum Tragen.

Joachim Scholtz
Rentenberater