Mark- und Sozialforschungsunternehmen, Fundraising- Unternehmen und viele andere Unternehmen erledigen einen Großteil ihrer Arbeit heute in sogenannten Call-Centern.
Die dortigen Mitarbeiter werden üblicherweise zu Anfang ihrer Tätigkeit für verschiedene Projekte „gecoacht“ und haben dann die Möglichkeit sich für bestimmte (Arbeits-) Zeiten einen Telefonplatz im Center zu reservieren. Das Ergebnis der telefonischen Befragung wird von den Mitarbeitern sogleich in den Computer eingegeben. Das Ergebnis und die Durchführung/Qualität der Telefonate wird von einem sogenannten Supervisor überwacht. Die Vergütung der Mitarbeiter erfolgt zumeist mit einem Stundensatz, ggf. ergänzt durch Fall- und Qualitätszuschlägen. Die weiteren Bedingungen der Tätigkeit sind zumeist nur in Rahmenvereinbarungen festgehalten.
Es soll sich zumeist um selbständige Tätigkeiten handeln.
In zwei aktuellen Entscheidungen konnten sich das Sächsische Landessozialgericht und das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen dieser Auffassung der Auftraggeber (Arbeitgeber) nicht anschließen. Sie entschieden unter dem
06.03.2012 – L 5 KR 152/10 – (Sachsen) und
14.03.2012 – L 8 R 121/09 – (NRW),
dass versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bestanden.
Welche Konsequenzen hätte es für die Call-Center-Mitarbeiterin und Interviewerin gehabt, hätten die Landessozialgerichte zugunsten einer selbständigen Tätigkeit entschieden?
In einem Anfrage-/Statusverfahren ergeht die Entscheidung, ob eine Beschäftigung oder aber eine selbständige Tätigkeit vorliegt, an die Beteiligten, d.h. den Auftraggeber (Arbeitgeber) und den Auftragnehmer (Arbeitnehmer). Beide Seiten haben die Möglichkeit, diese Entscheidung anzufechten. Oftmals wird das Verfahren nur vom Auftraggeber fortgeführt, während sich der Auftragnehmer in sein Schicksal ergibt oder nur im Auftrag des Auftraggebers agiert. Dabei sind die Interessen beider Beteiligter nicht immer deckungsgleich.
Im Verfahren vor dem Sächsischen LSG agierte die Auftragnehmerin (Mitarbeiterin) als Klägerin, im Verfahren vor dem LSG Nordrhein-Westfalen war es der Auftraggeber (Arbeitgeber). Beide Kläger versuchten das Gericht vom Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit zu überzeugen.
Tatsächlich hätte es für die Mitarbeiterinnen jedoch ein böses Erwachen gegeben, wenn die Gerichte zugunsten einer selbständigen Tätigkeit votiert hätten.
Selbständigkeit bedeutet nicht automatisch, dass auch keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung vorliegt. Nach der Sachverhaltsdarstellung in den Urteilen waren beide Mitarbeiterinnen einzig für ihr auftraggebendes Callcenter tätig. Diese Selbständigen mit nur einem Auftraggeber („arbeitnehmerähnliche Selbständige“) unterliegen der Rentenversicherungspflicht nach § 2 Nr.9 SGB VI. Versicherungspflichtige Selbständige haben ihre Beiträge(z.Zt. 19,6 % des Arbeitseinkommens) in voller Höhe selbst zu tragen.
Das die Klägerinnen/ Beteiligten über diesen Sachverhalt informiert waren und tatsächlich eine versicherungspflichtige Selbständigkeit gewünscht war, wage ich zu bezweifeln.
In diesen Verfahren kann nur empfohlen werden, sich unabhängig über die eigenen Ansprüche, Aussichten und Konsequenzen zu informieren. Die Kosten dieser Beratung durch einen kompetenten Rentenberater sind steuerlich absetzbar.