Konkurrierende Vorschriften zur Versicherungspflicht von Selbständigen und das Künstlersozialversicherungsgesetz als lex spezialis

Peter S., 32 Jahre alt, Web-und Spieledesigner aus Berlin Prenzlauer Berg hatte nie Interesse am Thema „Sozialversicherung und Altersvorsorge“. Irgendwie uncool und spießig passte dies nicht zum Leben eines Designers von Onlinerollenspielen.

„Entweder habe ich später sowieso genug Geld oder ich bekomme eben Einheitsrente“. Schon seit 5 Jahren kreiert er als „Freelancer“ Figuren und Hintergründe für eine Onlinespielfirma. Zwischen 3.000 – 5.000 Euro kann er jeden Monat bei seinem Auftraggeber abrechnen. Seit ein paar Monaten läuft es bei seinem Auftraggeber nicht mehr so gut. Die hatten eine Betriebsprüfung und müssen jetzt „Künstlersozialabgabe“ nachzahlen.

Kurze Zeit nach dieser Prüfung erhielt auch er einen Fragebogen der DRV. Seit wann, was und für wen er tätig sei und wie viel er verdienen würde – „Steuerbescheide seit 2005 bitte beifügen“.

„Was geht die das an? Ich zahle meine Steuern, zusätzlich noch ordentlich Krankenversicherungsbeiträge (obwohl ich nie zum Arzt gehe) und ansonsten bin ich selbständig – nicht mit mir! Den Vordruck können die haben, nicht aber meine Steuerbescheide!“

Wie ging die Geschichte weiter und was war schief gelaufen?

Nach heftigem Schriftwechsel und etliche Monate später hatte die DRV nun doch alle Unterlagen und stellte weitere drei Monate später fest:

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„Sehr geehrter Herr S.,

Sie sind ab 01.01.2006 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und haben daher Pflichtbeiträge zu zahlen. Die Höhe Ihres Monatsbeitrages und der bisher fälligen Beiträge können Sie der Beitragsrechnung entnehmen, die Bestandteil dieses Bescheides ist … Summe: 35.820,00 €. Ihr monatlicher Beitrag ab 01.11.2011: 431,83 €“

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Peter S. war in den letzten Jahren im Wesentlichen (mit 5/6 seiner Einkünfte) nur für einen Auftraggeber tätig gewesen und damit auch als Selbständiger kraft Gesetz versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Satz 1 Nr.9 SGB VI). Innerhalb und für die ersten drei Jahre seiner Selbständigkeit hätte er die Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 6 Abs.1a SGB VI) beantragen können – hat sich darum jedoch nicht gekümmert.

So wurde für Peter S. innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist (ab 2006) die volle Beitragspflicht zu Rentenversicherung festgestellt. Ein teures Desinteresse, denn hätte er sich schon zu Beginn seiner Selbständigkeit mit seinem Rentenberater besprochen, wäre für ihn von Anfang an oder nach Ablauf der 3-jährigen Befreiungsfrist des § 6 SGB VI die Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung beantragt worden. Die Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) hätte als lex specialis die Versicherungspflicht nach dem SGB VI verdrängt. Nach dem KSVG hätte Peter S. die Hälfte seiner Beiträge gespart, da diese von der Künstlersozialkasse selbst gezahlt worden wären.

Die Mitgliedschaft in der Künstlersozialversicherung ist ein Privileg und beginnt frühestens ab Antragstellung (§ 8 KSVG). Eine rückwirkende Versicherungspflicht/ Beitragspflicht wie nach den Vorschriften des SGB VI sieht das Künstlersozialversicherungsgesetz nicht vor. Eine Erstberatung bei einem versierten Rentenberater hätte sich für Herrn S. gelohnt. Mindestens 17.910,00 € hätte er gespart. Per Email und Telefon hätte er hierzu noch nicht einmal vom Computer aufstehen müssen. So jedoch wird Peter S. die Beitragsforderung von 35.820,00 € und ggf. noch Säumniszuschläge tragen müssen …

… oder fallen seinem Rentenberater noch ein paar gute Argumente ein?

Joachim Scholtz
Rentenberater