Erwerbsminderungsrente – Über irre Entscheidungen Teil 2

Luise A. nahm meine erste Beratung vor über drei Jahren in Anspruch. Ich besuchte sie bereits damals in ihrer Wohnung, da sie die Wegstrecke zu meinem Büro nicht zurücklegen konnte. Die studierte Ingenieurin war mit ihrer GmbH, nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen, in Konkurs gegangen. Nun machte sie einen kleinen Bürojob bei einer Firma in ihrem Wohnhaus. 

Obgleich für mich sehr schnell feststand, dass für Luise A. aus medizinischer Sicht ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bestehen würde, musste ich ihr damals leider mitteilen, dass sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt. Hierzu sind u.a. 36 Pflichtbeiträge in den letzten 60 Monaten vor Eintritt der Erwerbsminderung erforderlich. In der Zeit ihrer Geschäftsführertätigkeit waren keine Beiträge gezahlt worden und der Bürojob war erst vor kurzem aufgenommen worden.

Frau A. schleppte sich die nächsten Jahre weiter in das zwei Stockwerke unter ihrer Wohnung gelegene Büro. Das Haus selber hat sie in den letzten Jahren nur bis zum 50 m entfernten „Tante-Emma-Laden“ verlassen – sie wohnt im Moabiter Kiez.

In 2013 war es dann soweit: Die erforderlichen 36 Pflichtbeiträge lagen vor. Inzwischen hatte auch schon das Versorgungsamt – ohne eigene Begutachtung – die Schwerbehinderteneigenschaft bestätigt. Nachdem ich bei einem Hausbesuch alle erforderlichen Vordrucke und Unterlagen bei Frau A. eingeholt und an die DRV weitergeleitet hatte, traf folgendes Schreiben der DRV ein:

Sehr geehrter Herr Scholtz,

um über den Rentenanspruch Ihrer Mandantin entscheiden zu können, haben wir heute den o.g. Arzt beauftragt, ein Gutachten über den Gesundheitszustand abzugeben. … Belehrung etc.

Gutachter:

Dr. Ingo …, Arzt für Innere Medizin, XY-Straße, 14469 Potsdam

Zeitgleich mit dem Schreiben der DRV meldet sich auch der Gutachter Dr. Ingo mit dem Termin:

21.01.2014, 8:00 Uhr

Mein Routenplaner verrät mir: 4 x Umsteigen und Fußwege von insgesamt 1.060 Meter! Völlig unmöglich, dass Frau A. diese Wegstrecke wird bewältigen können. Ein Gutachter in Hamburg wäre aus Moabit, via Hauptbahnhof, ICE schneller und einfacher zu erreichen, als dieser Arzt in Potsdam.

Vielleicht hätte man Verständnis für die Beauftragung eines Gutachters in Potsdam, wenn es sich um den einzigen Spezialisten weit und breit handeln würde. Es gibt aber gemäß aktueller Auskunft der Ärztekammer Berlin 987 andere niedergelassene Fachärzte für Innere Medizin in Berlin!

Absicht, Trick, Ignoranz? Man weiß nicht, was die DRV mit der Beauftragung dieses Arztes bezwecken möchte. Ich jedenfalls habe Beschwerde eingelegt. Es gibt Grenzen bei den Mitwirkungspflichten.

Ebenso wie Frau A. unterstützen wir Sie als Rentenberater in Ihrem Verfahren gegenüber den Sozialleistungsträgern und vertreten Sie vor Sozial- und Landessozialgerichten.