Die Versicherungspflicht von Franchise-Nehmern

Bin ich als Franchise-Nehmer in der Rentenversicherung versicherungspflichtig? Eine Frage, die eigentlich mit einem Blick in das Gesetz schnell beantwortet sein müsste. Unter § 2 SGB VI findet sich eine Auflistung der Personen, die auch als Selbständige der Versicherungspflicht unterliegen.

Dies sind unter bestimmten Bedingungen

  1. Lehrer und Erzieher (§ 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI)
  2. Pflegepersonen (§ 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI)
  3. Hebammen und Entbindungshelfer (§ 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI)
  4. Seelotsen (§ 2 S. 1 Nr. 4 SGB VI)
  5. Künstler und Publizisten (§ 2 S. 1 Nr. 5 SGB VI)
  6. Hausgewerbetreibende (§ 2 S. 1 Nr. 6 SGB VI)
  7. Küstenschiffer und –fischer (§ 2 S. 1 Nr. 7 SGB VI)
  8. Gewerbetreibende (Handwerksrolle) (§ 2 S. 1 Nr. 8 SGB VI)

Eine Franchise- Nehmerin, z.B. eines Backshops, lässt sich diesen Tätigkeiten nicht zuordnen.

Es gibt jedoch noch einen „Auffangtatbestand“, den § 2 S.1 Nr. 9 SGB VI:

Versicherungspflichtig sind selbstständig tätige Personen, die

  1. im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
  2. auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind: bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.

Zu welchem Ergebnis kommen Sie, wenn unsere Franchise- Nehmerin im Backshop keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt (Buchstabe a.) und ihre Brötchen täglich an viele Kunden verkauft (Buchstabe b.)?

Sie ist nicht versicherungspflichtig?

Das ist leider falsch. Die Franchise- Nehmerin mit ihrem Backshop unterliegt der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung gem. § 2 S.1 Nr. 9 SGB VI. So entschied das Bundessozialgericht mit Urteil vom 04.11.2009 – B 12 R 3/08 R -:

Bei selbstständig tätigen Franchise- Nehmern, die in einer vertikalen Vertriebskette stehen, ist (einziger) Auftraggeber im Sinne § 2 S.1 Nr. 9 Buchst. b SGB VI der Franchise- Geber.

Eine Legaldefinition für den Begriff des „Auftraggebers“ existiert im Sozialversicherungsrecht nicht, so dass das Bundessozialgericht den Wortsinn nach dem im Gesetz angestrebten (Schutz-)Zweck ermitteln musste. In den Gesetzgebungsmaterialien zu § 2 S.1 Nr. 9 SGB VI ließ sich jedoch kein Hinweis zur Auslegung des Begriffs des Auftraggebers ermitteln. Gleichwohl enthielt die bis zum 31.12.1998 gültige Fassung des § 7 Abs. 4 SGB IV ebenfalls den Begriff des „Auftraggebers“.

Die Vorschrift des § 7 SGB IV definiert die „Beschäftigung“ und enthielt bis zum 31.12.1998 im Absatz 4 folgende Regelung (Auszug):

Bei Personen, die erwerbsmäßig tätig sind und

  1.  im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit … keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen,
  2.  regelmäßig um im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind,
  3.  für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringen … oder
  4.  nicht aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten,

wird vermutet, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale vorliegen.

Beide Vorschriften, § 2 SGB VI und § 7 SGB IV ergänzen sich an dieser Stelle und regeln die Versicherungspflicht der „arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen“. Aus diesem Grund konnte das Bundessozialgericht zur Definition des Begriffs des Auftraggebers auch auf die Gesetzgebungsentwürfe zu § 7 SGB IV zurückgreifen. In der Bundesratsdrucksache 793/96 fand sich sodann der Entwurf einer Ergänzung des § 7 Abs. 4 SGB IV, wonach Auftraggeber „jede natürliche oder juristische Person oder Personengesamtheit ist, die im Wege eines Auftrages oder in sonstiger Weise eine andere Person mit einer Tätigkeit betraut, sie ihr vermittelt oder ihr Vermarktung oder Verkauf von Produkten nach einem bestimmten Organisations- oder Marketingkonzept überlässt“. In den Bundestagsdrucksachen 13/6549 S.7 und 13/8942 S.8 heißt es in der Entwurfsbegründung, dass Satz 2 eine Definition des Auftraggebers treffe, „die Vermittlungs- oder Agenturmodelle ebenso erfasst, wie das Franchising“.

Das Bundessozialgericht sah es nur als konsequent an, Personen wie die „Backshop- Franchise- Nehmerin“ in die Rentenversicherungspflicht mit einzubeziehen, weil sie in ihrer selbstständigen Tätigkeit vollständig von ihrem Franchise- Geber abhängig ist. Sie könnte außerhalb des Franchise- Verhältnisses ihre Tätigkeit nicht ausüben, weil ihr dann weder Betriebsmittel noch Lieferbeziehungen zur Verfügung stünden.

Es besteht somit genau die Situation, die die Einbeziehung von selbstständig Tätigen mit nur einem Auftraggeber in die Rentenversicherung veranlasst hat – die soziale Schutzbedürftigkeit aufgrund der Abhängigkeit von nur einem Auftraggeber.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten wird die Entscheidung des Bundessozialgerichts durchaus nachvollziehbar.

Mit dem Verständnis der Entscheidung lassen sich auch Gegenstrategien entwickeln. Diese könnten gegebenenfalls (in Abhängigkeit der tatsächlichen Verhältnisse sowie der Rechtsentwickung) wie folgt aussehen:

  • Einschränkung der Bezugsbindung des Franchise- Nehmers auf 80 % (noch streitig)
  • Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Mitarbeiters mit einer Vergütung über 400.- €/mtl.
  • Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Familienangehörigens mit einer Vergütung über 400.- €/mtl.
  • Beschäftigung von freien Mitarbeitern mit Vergütungen über 400.- €/mtl. (noch streitig)
  • Befreiung von der Versicherungspflicht gem. § 6 Abs.1a SGB VI

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die vorvertragliche Hinweispflicht des Franchisegebers zur Rentenversicherungspflicht des „Stand-alone-Franchise- Nehmers“ gemäß § 242 BGB. Hierzu und zu den Konsequenzen kann auf „Franchise- Vertrag“ von Eckhard Flohr, ISBN 978-3406600081 verwiesen werden.